Die schweizer Initiative
Die Schweiz ist ein basisdemokratisches Land. Voksabstimmungen sind dort an der Tagesordnung. Wer die nötigen Unterstützungsunterschriften zusammenbekommt, kann auf diese Weise diverse Themen auf die politische Tagesordnung heben. So hat eine 2007 gegründete Initiative die Forderung aufgestellt, die Verfassung um den Satz zu ergänzen: „Der Bau von Minaretten ist verboten.“ Dabei gibt es in der Schweiz bisher fast keine Minarette. Derzeit existieren in der Schweiz ca. 160 (Hinterhof-)Moscheen, von denen 3 (in Worten: drei) ein Minarett aufweisen. Eine kulturelle Überfremdung der Bergdörfer ist nirgends zu sehen. Aber – und das ist in Sachsen ebenso wie in der Schweiz – was nicht ist, kann man umso intensiver befürchten. Dabei geht es nicht um die Architektur des Stadtbildes. Das Minarett wird als Symbol gesehen und verdammt. Dahinter steht die diffuse Angst vor einer schleichenden Islamisierung Europas. Themen, die damit in Verbindung gesehen und damit „dem Islam“ unterstellt werden, waren ursprünglich Bestandteil der Initiative, wurden aber später ausgelassen: Zwangsehen, persönliche Rachejustiz, Nicht-Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols, geschlechtsungleiche Auslegung der Schulpflicht. Die Initiatoren bestreiten den religiösen Charakter von Minaretten und sehen statt dessen in ihnen Speerspitzen einer politischen Islamisierung und des Alleinvertretungsanspruches des Islam.
Kirchen dagegen
Die Kirchen haben sich ebenso wie alle Parteien außer der SVP und der EDU gegen die Initiative geäußert. Das Minarett sei kein Symbol für Terrorismus, sondern ein religiöses Bauwerk. Ein Minarettverbot gefährdet den religiösen Frieden und verstößt gegen international garantierte Menschenrechte wie Religionsfreiheit, Diskriminierungsverbot und Rechtsgleichheit. Der Schweizer Evangelische Kirchenbund (SEK) hat umfangreiches Informationsmaterial produziert und den Gemeinden bekannt gemacht. Deren Argumente:
- Das Minarettverbot löst keine Probleme, sondern schafft neue. Fundamentalistische Muslime sehen sich in ihren Vorurteilen bestätigt, liberale Gläubige fühlen sich abgelehnt und diskriminiert.
- Muslime sind ebenso vielfältig wie Christen. Die friedliche Mehrheit darf nicht mit extremen Fundamentalisten gleichgesetzt werden.
- Der Rechtsstaat gewährt Religionsfreiheit und bestimmt nicht selbst über den Inhalt von Religion.
- Religionsfreiheit soll weltweit gelten. Die Kirchen sind gegen jede Form religiöser Diskriminierung. Das schließt eine Symmetrie des Unrechts aus.
- Die Begegnung mit Fremden kann Ängste hervorrufen. Wer aber auf dem festen Grund des christlichen Glaubens steht, kann dem Fremden ohne Angst begegnen.
Nur ein Anfang
Entgegen den Erwartungen und Umfrageergebnissen hat die Initiative 57% Zustimmung gegen den Bau von Minaretten erhalten. Die Stimmung in der Bevölkerung wurde offenbar unterschätzt. Damit kam ein Stein ins Rollen, von dem noch nicht abzusehen ist, was er noch alles plattwalzen wird. Die extrem rechte „Bürgerbewegung pro NRW“ fordert ein europaweites Minarettverbot und ruft dafür zu einem Sternmarsch nach Duisburg-Marxloh auf. In der Schweiz fürchtet man nun schon um die nächste Initiative der rechtspopulistischen SVP, die generell straffällig gewordene Ausländer des Landes verweisen will.
Feindbilder statt Problemorientierung
Die Minarett-Initiative polarisiert. Sie erzeugt und nutzt gezielt Ängste für politische Interessen. Eine solche Politisierung von Religion schadet der Demokratie – überall. Die Feindbilder, die hier ohne innere Differenzierung von „dem“ Islam gezimmert werden, sind in nichts besser als die Feindbilder, die Islamisten von „dem Westen“ aufbauen wollen. Darin liegt das eigentliche Problem dieser Initiative und ihrer Folgen. Die Schweizer Bischofskonferenz schrieb dazu: „Der Abstimmungskampf mit seinen Übertreibungen und Verzeichnungen hat vor Augen geführt, dass der Religionsfriede keine Selbstverständlichkeit ist und immer wieder neu errungen werden muss.“
Christen sind dazu aufgerufen, Zeugen der Wahrheit zu sein. Das verträgt sich nicht mit Pauschalisierungen, Verdrehungen, Übertreibungen und Angstmache. Ein christliches Zeugnis gegenüber Muslimen ist nur dann glaubwürdig, wenn es in einer Atmosphäre der Liebe und Zuneigung zu dem einzelnen Menschen vermittelt wird. Die neuen Gräben, welche die Minarettinitiative aufgerissen hat, schaden auch den Christen in islamischen Ländern, denn sie sind Wasser auf die Mühlen der Hardliner.